Non-Adhärenz als Patientenentscheidung
Bei der Einteilung der Patenten in unterschiedliche Adhärenztypen lehne ich mich an Prof. Dr. med. Ursula Gundert-Remy, Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, an. Ich ergänze die drei Typen um den Typ die „Unmotivierten“.
Die Prospect-Theorie als Ansatz zur Erklärung von Non-Adhärenz
Mein Ansatz für die Entwicklung von Konzepten zur Verbesserung der Adhärenz ist die Beleuchtung des Themas aus der Perspektive der Entscheidungstheorie. Der Einnahme oder Nicht-Einnahme eines Arzneimittels geht die (bewusste oder unbewusste) Beurteilung der verfügbaren Informationen und eine auf dieser Basis getroffene Entscheidung voraus.
Diese Beurteilung von Informationen wird öfter als uns lieb ist durch subjektive Wahrnehmungen, Weltanschauungen und Emotionen verzerrt. Da diese Verzerrungen sehr individuell sind, können wir häufig die (aus unserer Sicht falschen) von Menschen nicht nachvollziehen. Einer der wichtigsten Theorien zur Erklärung von irrationalem Verhalten ist die Prospekttheorie.
Die Prospect-Theorie wurde von dem israelisch-amerikanischen Wissenschaftler Daniel Kahneman und seinem Kollegen Amos Tversky entwickelt. Kahneman erhielt dafür im Jahr 2002 den Nobelpreis für Ökonomie. Tversky war zuvor verstorben. Einem breiten Publikum machte Kahneman sein Wissen mit dem Weltbestseller „Schnelles Denken, langsames Denken“ zugänglich, das er Amos Tversky widmete. Die Publikationen von Kahneman und Tversky gehören zu den meistzitierten Beiträgen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Die Kernaussage der Prospect-Theorie ist, dass die Bewertung von Informationen durch subjektive Wahrnehmungen, Weltanschauungen, Vorurteile und Emotionen verzerrt werden. Das gilt auch für Mediziner. In ihrem Bericht aus dem Jahr 2015 mit dem Titel „Improving Diagnosis in Health Care“ stellte die amerikanische National Academy of Medicine fest, dass die meisten Menschen „im Laufe ihres Lebens mindestens einen diagnostischen Fehler erleiden, manchmal mit verheerenden Folgen“ (1). Das Patientensicherheitsnetzwerk des US-Gesundheitsministeriums schätzt, dass etwa 75% der Diagnosefehler eine „kognitive Komponente“ haben (2).
,Die Verlustaversion
Eine der Säulen der Prospect-Theorie, ist die Verlustaversion. Sie ist eine der oben erwähnten „kognitiven Komponenten“. Der Begriff „Kognitive Komponente“ fast die Emotionen, subjektiven Wahrnehmungen und Vorurteile zusammen, die unsere Bewertung von Informationen im Rahmen einer Entscheidung beeinflussen. Der Fachbegriff lautet „kognitive Verzerrung“.
Die meisten Entscheidungen in unserem privaten und beruflichen Alltag sind sogenannte „gemischte“ Entscheidungen. Sie sind dadurch charakterisiert, dass die Konsequenz der Entscheidung sowohl als Gewinn als auch als Verlust empfunden werden kann. Wobei Gewinn und Verlust nicht nur auf finanzielle Aspekte fokussiert sind. Gleichwohl ist der Umgang mit Aktien eine der am intensivsten erforschten gemischten Entscheidungen. Die meisten Kleinanleger verkaufen eine Aktie, wenn sie eine bestimmte Wertsteigerung erreicht hat, während sie die Aktie eher halten, wenn ein Wertverlust in gleicher Höhe eintritt. Dieses Verhalten kann mit der Verlustaversion erklärt werden.