Denk‘ langsam, wenn’s drauf ankommt.

(Rückseite Kalenderblatt Januar)


Sicherlich kaufst Du auch im Januar Obst; z. B. Äpfel. Du hast eine große Auswahl im Supermarkt
zwischen Äpfeln aus der Region und importierten Äpfeln, von Italien bis Neuseeland.


Welchen Apfel kaufst Du?

Der Entscheidungsprozess in Deinem Kopf läuft für jede Entscheidung prinzipiell gleich ab – egal ob es um die Frage geht, welchen Apfel Du kaufst, mit welcher Bank Du künftig zusammenarbeiten, zu welchem neuen Arbeitgeber Du wechseln oder welchen Bewerber Du einstellstellen willst.

Im ersten Schritt wird festgelegt, was man von der Option erwartet, die man wählt (z. B. dass der Apfel gut schmeckt und dass er Dein Finanzbudget nicht zu sehr belastet). Im zweiten Schritt werden diese Werte gewichtet (der gute
Geschmack hat vielleicht einen größeren Einfluss auf Deine Entscheidung als ein günstiger Preis). Im dritten Schritt werden die Optionen festgelegt und bewertet (mehr über diesen Prozess steht auf dem März-Kalenderblatt). Nehmen
wir an, es sind nur noch ein Pink Lady aus Australien und ein Elstar aus Deutschland im Rennen. Der Pink Lady schmeckt Dir vielleicht besser als der Elstar, während der Elstar gerade im Angebot und daher günstiger ist. Da Dir der
Geschmack jedoch wichtiger ist als der Preis entscheidest Du Dich für Pink Lady.
Die Entscheidung ist einfach, wenn tatsächlich nur zwei Werte (z. B. Preis und Geschmack) Deine Entscheidung beeinflussen.


Aber was ist, wenn weitere Faktoren eine Rolle spielen? Mit zwei Werten kann man den oben beschriebenen Prozess noch durchlaufen, bei drei wird es schon schwieriger und ab 4 ist es ohne Hilfsmittel nahezu unmöglich (selbst wenn Du Dich nur zwischen zwei Optionen entscheiden musst).

Das Beispiel eignet sich sehr gut, um das Prinzip des schnellen und langsamen Denkens und seinen Einfluss auf unsere Entscheidungen zu erläutern.

Einem breiten Publikum bekannt wurde das Denken in zwei Systemen
durch den Weltbestseller “Schnelles Denken, langsames Denken” des
Psychologen und Nobelpreisträgers Daniel Kahneman.

Laut Kahneman ist System 1, das schnelle Denken, ständig aktiv. Es erfasst Informationen aus der Umwelt, bewertet sie und trifft schnelle Entscheidungen. Die Aufgabe von System 2 ist, diese Entscheidungen kritisch zu überprüfen und
ggf. zu korrigieren, bevor sie zu Handlungen werden. Allerdings ist System
2 träge. Es kostet Energie und Willenskraft, System 2 einzuschalten. Deshalb
überlassen wir System 1 meist die Entscheidung, wenn eine Information
plausibel erscheint und sich gut anfühlt. Kahneman erklärt das mit
unserem Streben nach „kognitiver Leichtigkeit“ (vergl. Kalenderblatt April).

Nehmen wir an, es sind nicht zwei, sondern drei Werte, die Deine Entscheidung beeinflussen. Nehmen wir weiter an, nicht der gute Geschmack, sondern der neue Wert, ein möglichst kleiner CO2- Fußabdruck, ist Dein wichtigster Wert. Die Matrix rechts eignet sich sehr gut, Entscheidungsprobleme übersichtlich darzustellen. Wie Du siehst, habe ich 10 Punkte auf die Werte verteilt, um die unterschiedliche Wichtigkeit der Werte zum Ausdruck zu bringen.

Entscheidest Du Dich unter den neuen Voraussetzungen immer noch für Pink Lady oder doch für Elstar? Der Apfel aus Neuseeland hat Tausende Kilometer Transportweg hinter sich, was nicht besonders klimafreundlich ist. Andererseits, es ist Januar. Höchstwahrscheinlich kommt der Elstar direkt aus einem Kühlhaus in den Supermarkt, während der Pink Lady frisch geerntet wurde. Kannst Du aus diesen Informationen ableiten, welcher Apfel klimafreundlicher ist?

Langsames Denken würde bedeuten, Du bringst alle Fragen in Erfahrung, die zur Bewertung der Klimafreundlichkeit eines Apfels tatsächlich relevant sind, und Du beschaffst Dir die erforderlichen Informationen, um die Fragen zu beantworten. Für die Apfel-Entscheidung ist Dir dieser Prozess vermutlich zu aufwendig, deshalb triffst Du die Entscheidung auf Basis dessen, was Dir plausibel erscheint – mit dem schnellen Denken. Genauer gesagt, du wendest ein heuristisches Entscheidungsprinzip an (mehr darüber im Februar).

Aber verfährst Du bei wichtigeren Entscheidungen anders? Rufe Dir in Erinnerung, wie Du Deine letzte wichtige Entscheidung getroffen hast. Hattest Du wirklich alle relevanten Informationen? Konntest Du sicher sein, dass diese Informationen tatsächlich richtig waren? Hast Du lange genug über Deine Werte / Ziele / Präferenzen nachgedacht und alle – entsprechend ihrer Wichtigkeit – bei der Entscheidung berücksichtigt? Auf dem nächsten Kalenderblatt erfährst Du mehr über heuristische Entscheidungsprinzipien.