Halo Effekt

(Rückseite Kalenderblatt Juli)


Die Bezeichnung „Halo-Effekt“ (Heiligenschein-Effekt) geht auf den amerikanischen Verhaltensforscher Edward´Thorndike zurück. Er analysierte die Beurteilung von Soldaten durch Offiziere im Ersten Weltkrieg und fand heraus,
dass Soldaten, die eine einwandfreie Körperhaltung hatten, überdurchschnittlich oft auch als zielgenaue Schützen beurteilt wurden. Die einwandfreie Körperhaltung „überstrahlte“ die restlichen Eigenschaften und verzerrte die objektive Beurteilung der Soldaten. Diesen Überstrahlungseffekt bezeichnete Thorndike als „Halo-Effekt“ (Heiligenschein-Effekt).

Der Halo-Effekt ist in unserem Alltag weit verbreitet, und jeder kann ihn an sich selbst beobachten. Der Volksmund spricht davon, dass der erste Eindruck für die Beurteilung eines Menschen entscheidend ist. Aber was nehmen wir beim ersten Eindruck wahr (für wahr)? Das Aussehen, die Kleidung, den Grad der Eloquenz, die Haltung und vielleicht noch ein paar weitere Merkmale. Die Informationen, die wir über diesen Menschen haben, sind marginal. Dennoch neigen wir dazu, aus den wenigen Informationen eine Geschichte zu stricken, die ausreicht, ihn in eine Schublade zu stecken, aus der er schwer wieder herauskommt. Deshalb hat, wer gut aussieht, mehr Chancen im Leben. Kindern mit Brille wird schnell eine höhere Intelligenz unterstellt, dicke Menschen … ich brauche die Beispiele gar nicht alle
aufzulisten oder auszuschmücken.

Inzwischen wurde der Halo-Effekt in unzähligen Studien untersucht. Ein Klassiker unter den Halo-Effekt-Studien stammt vom amerikanischen Psychologen Salomon Asch (1). Asch bat Probanden um die Einschätzung von „Alan“. Er
beschrieb Alan als intelligent, fleißig, impulsiv, kritisch, eigensinnig, neidisch. Trotz der beiden letzten Attribute bekam Alan durchweg positive Bewertungen. Anders war die Situation allerdings, wenn Asch den Probanden die Attribute in umgekehrter Reihenfolge vorlegte. Diesen Menschen nannte er „Ben“. Kaum jemand mochte Ben.

Ich habe mich von Aschs Studie inspirieren lassen und das Experiment im Rahmen einer Fortbildung für Praxisassistentinnen und -Assistenten wiederholt. Dazu teilte ich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in zwei Gruppen. Gruppe 1 stellt ich Herrn Maier vor und bat ihn, etwas über sich zu erzählen. Was Gruppe 1 nicht wusste, war, dass sich der gleiche Schauspieler der anderen Gruppe als Herr Müller – auch wieder durch ein Selbstgespräch – vorstellte.
Anschließend bat ich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beider Gruppen um eine Einschätzung der Person, die sie gerade kennengelernt haben. Der Sympathiewert von Herrn Maier (bewertet durch Gruppe 1) war im Durchschnitt
8,5 (von 10 möglichen Punkten), der von Herrn Müller lag bei 4,9.

Der Halo-Effekt verzerrt übrigens nicht nur unsere Beurteilungen von Menschen. Die Werbung wendet ihn ganz gezielt an. Sicherlich bist Du beim Kauf eines Produktes auch schon mal dem Halo-Effekt auf den Leim gegangen.


(1) Asch, S.: „Forming Impressions of Personality“, Journal of Personality and Social Psychology